Unsere Reise ging nach
2 Jahren, 7 Monaten und 11 Tagen zu Ende. Das "Abenteuer Wiedereinstieg" hat begonnen.

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Reise in den Norden

Während unserem Besuch bei Anita in Smithers hatten wir zwischendurch auch Zeit, etwas Reiseplanung zu betreiben und uns Gedanken über den weiteren Verlauf zu machen. Natürlich konnte uns Anita auch hier einige gute Hinweise und Tipps geben. So entschieden wir uns, von Smithers aus auf dem Stewart-Cassiar Highway in Richtung Alaska aufzubrechen. Nach einem Abstecher nach Stewart ging es weiter nach Watson Lake und über Whitehorse, wieder nach einem Abstecher, nach Dawson City. Doch alles der Reihe nach... Was hier vielleicht nach einer kurzen Fahrt tönt, war für uns eine 9-tägige Reise. Klar ist die Strecke in kürzerer Zeit zu schaffen, aber wir wollen ja auch etwas sehen :-)

Der erste Teil der Strecke, noch auf dem Yellowhead Highway, war wenig spektakulär. Erst auf dem Cassiar Highway, kurz nach Kitwanga, machten wir einen ersten kleinen Zwischenhalt und besuchten das kleine Dorf Gitanyow. Der von First Nations geprägte Ort ist bekannt für seine vielen Totempfähle. Wir hatten Glück und trafen kurz vor Feierabend noch drei Männer an, welche gerade an einem neuen Totem Pole arbeiteten. Während zwei ihre Arbeit für diesen Tag bald beendeten, nahm sich der dritte Mann viel Zeit für uns und erklärte uns die Bedeutung und Hintergründe der einzelnen Symbole des neuen Pfahls. Er war sichtlich stolz, die Ideen seines Grossvaters nun umsetzen zu dürfen und beantwortete gerne unsere vielen Fragen.

Nachdem wir die vielen Totempfähle bestaunt hatten, setzten wir unsere Fahrt fort und landeten schliesslich in Stewart. Die Fahrt nach Stewart bot einige schöne Ausblicke auf Gletscher und viele Wasserfälle. Lange Aufenthalte unterwegs gab es bei uns allerdings nicht, es wehte ein kräftiger und kühler Wind... Unmittelbar neben Stewart liegt Hyder, welches jedoch bereits zu Alaska gehört und im südlichen Zipfel liegt. Trotz der internationalen Grenze wurden keine Passkontrollen vorgenommen. Hyder ist sozusagen die Endstation, man erreicht keine anderen Orte in Alaska und deshalb konnten wir hier problemlos ein- und ausreisen.

Wir besuchten also Hyder - the friendliest ghost town in Alaska... Tatsächlich ist es eine Geisterstadt. Viele Häuser stehen verlassen und heruntergekommen da, in den Vorgärten stehen Autos und Camper, die vor sich hinrosten und höchstens den Pflanzen und Tieren als Lebensraum dienen. Doch irgendwie hat uns das kleine Dorf gefallen, an jeder Ecke gab es etwas zu entdecken und scheinbar gibt es doch noch ein paar wenige Leute, die dort leben. Wir haben uns gefragt, ob sich diese wohl wirklich als Amerikaner fühlen, wo doch kein Anschluss ans eigene Land besteht, jedoch zu Kanada schon...

Nach unserem Abstecher nach Stewart und Hyder fuhren wir weiter nördlich. Bald stellten wir fest, dass uns immer weniger Autos entgegen kamen und die Gegend einsamer wurde. Plötzlich entdeckten wir am Strassenrand zwei Schwarzbären, einer mit schwarzem und einer mit braunem Fell. Wir beobachteten die beiden Bären etwa eine halbe Stunde lang vom Fahrzeug aus. Sie liessen sich beim Fressen überhaupt nicht stören und wir konnten tolle Fotos und ein Video machen.

Durch die Bärenbeobachtung im Zeitplan etwas zurückliegend, beschlossen wir, bei einer Lodge nach einem Übernachtungsplatz zu fragen. Zu unserem Erstaunen wurde uns das Angebot gemacht, dass wir kostenlos auf dem grossen Kiesparkplatz übernachten dürfen - obwohl die Lodge über einen Campingplatz verfügte, wo noch Plätze frei gewesen wären. Dieses Angebot schlugen wir natürlich nicht aus, hatten wir doch alles, was wir benötigten... Gleich neben der Lodge war eine Heli-Basis und so parkten wir unseren Truck ganz in der Nähe. Für Abendunterhaltung war durch die startenden und landenden Helis sowie die Wartung durch die Techniker gesorgt. Nun, bei einer Heli-Basis gilt wohl: wo Abendunterhaltung, auch Morgenunterhaltung. So wurden wir am nächsten Morgen vom "Duft" des Kerosins und den startenden Helis geweckt. Dies war einmal etwas anderes und es hat uns beiden gefallen. Es war auf jedenfall einer der interessantesten Übernachtungsplätze bisher.

Nach unserem Frühstück mit weiteren Heli-Landungen und -Starts machten wir uns bald wieder auf den Weg. Unser heutiges Ziel war Watson Lake, wir wollten also ein bisschen "Strecke machen". Wir kamen gut voran, trotzdem mussten wir immer aufpassen, hatte es doch hie und da Schlaglöcher und Schotterpisten-Abschnitte. Dank des langsameren Fahrens hatte, zumindest der Beifahrer, mehr Zeit um die Umgebung aufzunehmen. So sahen wir an diesem Tag unseren ersten Elch! Leider durchquerte er gerade einen See und war viel zu weit weg, um ihn schön zu sehen oder gar zu fotografieren. Wenig später sahen wir tatsächlich zwei weitere Elche - so lange keinen einzigen und dann an einem Tag gleich drei... Eine Elchkuh stand mit ihrem Jungtier am Strassenrand und erschrak, als wir mit unserem Truck angefahren kamen. Sie rannte quer über die Strasse, ihr Jungtier hinterher und Angi machte ihre erste Vollbremsung mit einem 5-Tonnen-Gefährt. Wow - das Ding hat nicht nur Power, sondern auch dementsprechende Bremsen! :-)

Der Ort Watson Lake ist heute vor allem für seinen "Sign Post Forest", den Schilderwald, bekannt. Leute aus aller Welt hängen hier Nummernschilder, Ortstafeln, Wegweiser und alles andere an Holzpfosten, was nur irgendwie aufgehängt oder angenagelt werden kann. Der Schilderwald hat im Laufe der Jahre riesige Dimensionen erreicht. Wir haben weit über eine Stunde dort verbracht und nur einen kleinen Teil davon gesehen. Mit der Zeit sieht man vor lauter Schildern den Wald nicht mehr :-) Interessiert haben uns natürlich vor allem Wegweiser und Ortseingangstafeln aus der Schweiz sowie andere von Schweizern deponierte Erinnerungen. Einige davon schreiben sogar die ganze Adresse oder ihr E-Mail auf die Schilder. Wir haben versucht, einem CH-Päärli einen Gruss per E-Mail zu schicken, doch leider ist die Mail-Adresse nicht mehr in Betrieb. Die Stadt stellt laufend neue Holzpfosten auf und so wächst und wächst der "Wald" immer weiter. Wir waren total unvorbereitet und hatten keine Tafel dabei. Sollten wir allerdings auf dem Landweg zurückfahren, liegt Watson Lake wieder auf der Strecke... mal schauen, ob auch wir unseren Teil zum Wald beitragen :-)

 

Man könnte fast meinen, dass wir mit dem Erreichen des Yukon's auch in die Mücken-Provinz eingereist sind. Die Viecher haben uns bei der Besichtigung der Schilder fast gefressen und so "flüchteten" wir ins Northern Lights Centre. Wir schauten uns da zwei Filme an, welche an die Kuppel des Zentrums projeziert wurden. Ein Film widmete sich dem Aufbau des Sonnensystems und der andere den Nordlichtern. Es muss einfach nur faszinierend sein, dies selber einmal zu erleben... Am gleichen Tag fuhren wir noch nach Whitehorse und übernachteten dort auf dem Walmart-Parkplatz, da wir erst spätabends ankamen.

Am nächsten Tag besichtigten wir Whitehorse. Wir nahmen die Stadt als "Aufrüstungsort" für Camper wahr. Einerseits fliegen viele, die ihre Ferien im Norden Kanada's und in Alaska verbringen wollen, nach Whitehorse, übernehmen dort ihr Wohnmobil und machen ihren ersten Einkauf. Andererseits trifft man da auch auf viele Langzeitreisende, welche die Vorteile einer Stadt nutzen und auch ihre Vorräte wieder aufstocken. Etwas ausserhalb des Zentrums besuchten wir den Whitehorse Fishway - eine der längsten Fischleitern der Welt. Leider waren die Lachse noch nicht angekommen und so konnten wir zwar die ganzen Einrichtungen anschauen, einfach ohne Fische. Die Angestellten waren aber bereits sehr zahlreich vorhanden und erklärten das Prinzip, einfach wieder ohne Fische :-)

 

Von Whitehorse aus gibt es zahlreiche Möglichkeiten, eine Reise zu beginnen oder fortzusetzen. Wir entschieden uns, einen weiteren Abstecher nach Alaska zu machen, bevor wir weiter nördlich nach Dawson City fuhren. Wir hatten gelesen und auch mehrfach gehört, dass sich ein Ausflug nach Skagway lohnen würde, schon nur die Fahrt dorthin solle landschaftlich sehr schön sein.

Auf dem Klondike Highway fuhren wir also in südliche Richtung und erreichten schon bald den schönen türkisfarbenen Emerald Lake. Etwas weiter kamen wir an der Carcross Desert, einem kleinen Dünengebiet, vorbei und gelangten zum Dorf Carcross. Dieses besteht nur aus ein paar Häusern und einem Bahnhof, wo gerade der "White Pass"-Zug eingefahren kam. Die Fahrt starteten wir im Yukon und wechselten jetzt wieder für ein kurzes Stück nach British Columbia, bevor dann die Grenze zu Alaska kam. Je länger die Fahrt dauerte, desto schöner wurde tatsächlich auch die Landschaft. In unserem Tagebuch steht: "Die Idylle nahm ein jähes Ende an der US-Grenze...". Man könnte sagen, dass wir dort nicht gerade freundlich und mit offenen Armen empfangen wurden.

Als wir die Grenze erreichten, wurden wir von einem grimmigen Angestellten (wir belassen es bei diesem Ausdruck und umschreiben ihn hier nicht genauer) begrüsst, oder nein, eigentlich wurden wir nur zur Kenntnis genommen. Er forderte unsere Pässe an und stellte uns die üblichen Fragen, bevor er uns aufforderte, unseren Truck zu parkieren und uns am Besucherschalter zu melden. Dort warteten wir geduldig, verhielten uns möglichst ruhig und lauschten dem "Verhör" einer anderen Besucherin, welche vor uns dran war. Als Angi hörte, dass eine Einreisegebühr zu entrichten ist, wollte sie im Camper ein paar US-Dollar holen gehen und machte sich auf den Weg zur Tür. Gestoppt durch ein scharfes "Where are you going?!!" durch die Angestellte im Büro musste Angi also erklären, weshalb sie nun das Gebäude verlassen möchte. Nach ausführlicher Begründung wurde ihr dies sogar gestattet.

Als Angi zurückkam, war Claudio bereits im Verhör bei der überaus kühlen und leicht angespannten Beamtin. Nach weiteren Fragen zu Aufenthaltszweck, Dauer, Waffen, Obst, Gemüse, etc. und dem Bezahlen der Einreisegebühr bekamen wir tatsächlich die Erlaubnis, ins Land einzureisen. Huch - dieser freundliche Empfang - ein Traum :-) Nun, unser US-Visum lief von jetzt an und Claudio war nach seiner ersten Einreise in die USA so ziemlich entsetzt :-) Angi war bereits mehrfach in die Staaten eingereist und hatte bereits die eine oder andere Erfahrung dieser Art hinter sich, weshalb sich ihr Entsetzen in Grenzen hielt.

 

Wir setzten unsere Fahrt nach Skagway fort und schlugen uns ab sofort mit Meilen anstelle von Kilometern pro Stunde herum. Glücklicherweise hat unser Truck eine Anzeige sowohl mit Kilometern, als auch mit Meilen. Dies vereinfacht das Einhalten der Geschwindigkeitsbegrenzungen doch wesentlich, sonst müsste quasi bei jeder Tafel wieder gerechnet werden :-)

Skagway selber muss man fast unterscheiden in "Skagway bei Tag" und "Skagway bei Nacht". Als wir nach dem Mittag ankamen, war das kleine Städtchen überfüllt mit Kreuzfahrt-Passagieren. Im Hafen lagen vier grosse Kreuzfahrtschiffe und jedes einzelne musste hunderte oder tausende von Personen "ausgespuckt" haben. Es wimmelte an jeder Ecke von Leuten... grauenhaft. Wir waren hungrig und wollten eigentlich in einem Restaurant etwas essen gehen, änderten jedoch unseren Plan schnell und verköstigten uns im Camper, wo wir unsere Ruhe hatten. Am späteren Nachmittag schlenderten wir zum Hafen und genossen das schöne Wetter. Plötzlich hörten wir das Luftausstoss-Geräusch eines Wales und kurze Zeit später sahen wir ihn dann auch. Er zeigte sich in der Nähe des Hafens und tauchte immer wieder auf. Wir hatten Glück und sahen auch noch Seeotter und einen Seehund. Nach so vielen Tiersichtungen blieben wir natürlich lange sitzen und sahen später weitere Wale, ob es zwei oder drei waren, die gemeinsam in Hafennähe herumschwammen, konnten wir nicht herausfinden.

 

Abends wagten wir noch einmal einen Versuch und spazierten ins Städtli. Siehe da, wie ausgestorben! All die Kreuzfahrt-Passagiere waren wieder auf den Schiffen verschwunden und wir hatten das Städtli fast für uns alleine. Wir besuchten die "Days of '98 Show" - ein kleines Theater über einen Soapy Smith, welcher als "Tyrann" die Stadt und wohl eine ganze Region beherrscht hatte, schliesslich jedoch erschossen wurde. Die Show war sehr unterhaltsam, lustig und von den Schauspielern wirklich sensationell gut gespielt. Nach der Show waren wir eigentlich auf der Suche nach einem Pub und landeten schliesslich im Bingo-Schuppen. Auch das war ein Erlebnis, das Bingo war teilweise nicht ganz jugendfrei und wir wissen nun, weshalb es von Alt und Jung gespielt wird ;-)

 

Kleine Erklärung: Das Bingo wurde aus einer Kombination von Buchstaben und Zahlen gespielt. Wenn man gewisse Kombinationen in Englisch ausspricht, ergeben sich plötzlich Bedeutungen, Wörter, usw. - immer sehr zur Freude sämtlicher Mitspieler. Wenn also die Kombination "B4" fällt, tönt dies ausgesprochen wie "before". Aus der Reihe der Mitspieler war dann lauthals zu hören "before WHAT?!", natürlich mit Antworten jeder Art... Auch eine beliebte Kombination war "O69", die Erklärung dafür dürfte mehr oder weniger klar sein...

 

Auf jeden Fall hatten wir einen sehr amüsanten und lehrreichen Abend in Skagway. Da es einfach nicht dunkel werden wollte, machten wir anschliessend noch einen Spaziergang zum Hafen, bevor wir uns nach Mitternacht - immer noch bei Tageslicht - wohl oder übel in die Heia begaben.

Am nächsten Morgen, als wir im Bett liegend die Rollos hochschoben, trauten wir unseren Augen kaum... die vier Kreuzfahrtschiffe von gestern waren weg - aber es lagen bereits wieder vier andere da. Unglaublich, ganz nach dem Motto "und täglich grüsst das Murmeltier", oder so. Um das Städtli machten wir einen weiten Bogen, denn die Schiffe hatten bereits wieder "ausgespuckt". Wir tankten unseren Truck noch voll und schlugen uns dabei zum ersten Mal mit Gallonen statt mit Litern herum. Wieviele Liter ist nun eine Gallone? Nun, auch daran werden wir uns (vielleicht) gewöhnen.

 

Auf der Rückfahrt nach Whitehorse konnten wir eine weitere Tierbeobachtung verzeichnen. Ein Schwarzbär überquerte vor uns die Strasse, blieb kurz stehen und verabschiedete sich dann hinter einen Hügel. Ach ja, bevor wir es vergessen... die Wiedereinreise nach Kanada war innert Kürze erledigt. Nach den obligatorischen Fragen hiess es "Welcome back to Canada" - so macht es doch gleich viel mehr Spass!

Zurück in Whitehorse rüsteten auch wir uns für die Weiterfahrt in den Norden und stockten unsere Vorräte auf. Anschliessend fuhren wir in zwei Etappen auf dem Klondike Highway nach Dawson City, mit einer Übernachtung in Carmacks. Diese Strecke könnte man unter dem Kapitel "unspektakulär" abhaken. Ausser zwei alten, mitten auf der Strasse dahintrottenden Hunden, gab es nicht viel zu sehen. Manchmal tut es aber auch ganz gut, solche Abschnitte zu fahren. Wenn die Landschaft immer so genial wäre wie zum Beispiel von Whitehorse nach Skagway, würde man sich daran gewöhnen. Zudem geniessen wir es ab und zu auch, beim Fahren den Gedanken nachzuhängen oder Erlebtes und Gesehenes Revue passieren zu lassen, ohne bereits wieder auf "neue Highlights" zu stossen.

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Kommentare: 1
  • #1

    MamiPia (Sonntag, 11 August 2013 16:04)

    Vier Monate seid ihr nun auf Reise! Ich frage mich, wieviele Kilometer mehr sind nun auf dem Tacho seit dem Kauf des Trucks in Vancouver? Es müssen etliche sein........vollbepackt mit vielen schönen Erlebnissen, Ueberraschungen und wohl auch mit etwas Glück auf rutschigen Naturstrassen. Ich wünsche weiterhin gute Fahrt, viel Glück, danke für die interessanten Berichte / Fotos und grüsse herzlich
    MamiPia