Unsere Reise ging nach
2 Jahren, 7 Monaten und 11 Tagen zu Ende. Das "Abenteuer Wiedereinstieg" hat begonnen.

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Goldgräberstadt, staubiger Dempster Highway und Schleuderfahrt

Nach der ersten Nacht in Dawson City wurden wir frühmorgens um 07.00 Uhr von einem überaus glücklich erscheinenden Kanadier geweckt. Er sang auf seiner Terrasse was das Zeug hielt. Steinalte Lieder wie "You are my sunshine, my only sunshine"... also richtige Ohrwürmer ;-)

Auch wir begannen den Tag gut gelaunt und zugegeben nicht ganz "ohrwurmfrei". Das laute Singen liessen wir jedoch besser sein ;-)

Wir erkundeten zu Fuss Dawson City. Alle Strassen wurden wohl bewusst "Goldgräber-like" nicht geteert, sondern blieben bis heute rumplig und staubig. Die meisten Gebäude erinnerten an die goldene Zeit des Goldrauschs und versetzten uns ein paar Jahrzehnte zurück. Wir schlenderten durch die Strassen, sahen uns ein paar Läden an, assen ein feines Glacé und schauten dem emsigen Treiben zu.

Am Abend kamen wir mit unseren Nachbarn, einem etwa gleichaltrigen Päärchen aus Calgary, ins Gespräch. Sie kamen soeben vom Dempster Highway zurück und erzählten von herrlicher Natur, vielen Tiersichtungen und eben... auch den schlechten Strassen. Ihre Erlebnisse hatten uns schliesslich dazu bewogen, dass auch wir den Dempster befahren wollten. Für die ganze Strecke erwarteten uns insgesamt zirka 1500 Kilometer (ausschliesslich Schotterstrassen). Das Ende wäre dann Inuvik, weiter nördlich zu fahren sei dort nicht mehr möglich.

Am Sonntagmorgen verliessen wir somit den Campingplatz in Dawson City, kauften das Nötigste ein, betankten den Truck, überprüften den Reifen-Luftdruck und kontrollierten nochmals die Befestigungen vom Camper. Entgegen allen Ratschlägen, ein zweites Reserverad mitzunehmen, beliessen wir es bei unserem einen. Zitat Reiseführer: "Wer auf dieser Strecke liegenbleibt, den trifft es hart. Die zwei Tankstellen unterwegs sind bestenfalls bei kleineren Reparaturen kompetent". Na dann... los geht's...

 

Kaum auf dem Dempster Highway, hinterliessen wir schon riesige Staubwolken. Ab und zu kamen uns auch Autos und grosse Lastwagen entgegen, manchmal nicht nur von einer grossen Portion Staub begleitet, sondern "netterweise" auch noch mit Steinschlägen, welche unser Reisegefährt eindeckten.

 

Die Landschaft nahm ständig an Schönheit zu. Die Wälder wichen einer weiten Tundra-Gegend. Der Permafrost war in den letzten Wochen langsam aufgetaut und die Blumen gediehen. Somit war es auch nicht erstaunlich, dass man mit seinen Füssen im Gras/Moos neben der Strasse im Boden einsank. Dieser gab locker 20 Zentimeter nach und zum Teil drang Grundwasser nach oben.
Am Two Moose Lake (Zwei Elche See) sahen wir dann unseren ersten Elch auf dem Dempster. Dieser graste friedlich alleine im See und mampfte gemütlich Wasserpflanzen. Die weiteren Seen, in welchen dann gar kein Elch zu sehen war, nannten wir fortan "One Moose Lake", also Gewässer ohne "Moose" ;-)
Beim Zmittaghalt bemerkten wir dann erstmals, dass Staub durch irgendwelche Ritzen und Lüftungen ins Innere des Campers drang - alles war mit einer feinen Staubschicht überzogen. Claudio war darüber gar nicht erfreut, hatte er doch zwei Tage zuvor den gesamten Innenraum inklusive den Wänden und der Decke gereinigt...

Bei der Weiterfahrt hatten wir uns allmählich an die Schotterstrassen (sogenannte Gravel Roads) gewöhnt. Die meisten Schlaglöcher konnten wir umfahren, einzelne erwischten uns unvorhergesehen. Der Truck wurde arg beansprucht - Angi nannte dies liebevoll "Der Truck wird seiner Bestimmung zugeführt und ist dazu gebaut". Claudio dachte da eher an die groben Beanspruchungen von Federn, Stossdämpfern, Radlagern und anderem...


Bei Kilometer 259 entdeckten wir einen schönen Übernachtungsplatz. Mit 4-Rad-Antrieb gings den schmalen und steilen Pfad nach oben und dort wurden wir von einem fantastischen Panorama erwartet. Wir genossen die Aussicht, die Mücken stachen zu und genossen wohl ihre kleinen Zwischenmahlzeiten.

Abends machte Claudio erstmals "Pfannen-Fladenbrote". Hmmm fein... Wie üblich, wurde es auch an diesem Abend nicht wirklich dunkel. So gingen wir trotz Helligkeit nach Mitternacht irgendwann ins Bett.

Den nächsten Tag begannen wir zuerst mit einer erfrischenden Dusche. Um den Grauwassertank nicht gleich zu füllen, duschten wir draussen mit der Aussendusche. Es ist ausser uns ja eh keiner da...

Die Hälfte der Strecke hinter uns gelassen, erreichten wir den Arctic Circle (Polarkreis) und fuhren nach einer kurzen Pause weiter nördlich in die Berge. Nach einer Bären- und einer Karibuherden-Sichtung (alle waren leider für unsere damalige Fotoausrüstung viel zu weit weg) drehte das Wetter von Sonnenschein zu Nieselregen und dichtem Nebel in den Bergen. Wir fuhren langsam unserem Ziel entgegen. Da wir geeignete "Wild-Stellplätze" wegen dem Nebel gar nicht mehr sehen konnten und wegen dem zunehmenden Matsch auf der Strasse bezogen wir einen Campingplatz vor Fort McPherson. Der Truck und Camper waren jetzt schon ziemlich eingedreckt und staubig.

 

Am nächsten Morgen bezahlten wir den Stellplatz und wechselten mit dem kurligen Campingplatz-Betreiber, welchen man nicht wirklich gut verstand, ein paar Worte. Dieser stellte uns sogar noch ein "Arctic-Circle-Zertifikat" aus und bescheinigte die "Eroberung des Polarkreises". Aha - nun sind wir also zertifiziert unterwegs ;-)
Wir diskutierten nun nochmals, ob wir die restlichen 200 Kilometer weiter nach Norden oder wieder zurück nach Dawson City fahren sollen. Schliesslich entschieden wir uns für den Norden und fuhren weiter auf den nassen und schlammigen Strassen. Bis zur Schiffsfähre, wo wir damit einen Fluss überqueren mussten, kamen wir gut voran. Auch das Wetter besserte zusehends. Nach der Überfahrt wurden die Gravel Roads jedoch immer schlechter und schlechter. Es gab so viele Schlaglöcher und der aufgeweichte Boden war schwierig zu befahren. Nachdem wir einem entgegenkommenden Fahrzeug Platz machen mussten, passierte es... Unser 5-Tonnen-Gefährt brach hinten nach rechts aus und schleuderte dann mit der Front nach links. Zum Glück konnte Claudio entgegenlenken und uns auf der zirka acht Meter breiten Fahrbahn halten. Dieser Schreck sass dann noch eine Weile in den Knochen... Was wäre gewesen, wenn das Ganze umgekippt und im Permafrost-Boden zum Stehen gekommen wäre? Schliesslich hatten wir die restlichen Kilometer nach Inuvik ohne weitere Zwischenfälle zurückgelegt. Claudio war froh, Angi erleichtert und der Truck sah aus wie Schw...


Inuvik erkundeten wir ebenfalls zu Fuss. Es gibt dort tatsächlich ein "Dorfleben", einige mehr oder weniger beschäftigte Leute auf der Strasse, sogar ein kleines Einkaufszentrum, eine wohl weltbekannte Kirche (in der Form eines Iglus errichtet), zahlreiche farbige Häuser und beheizte, oberirdische Hausversorgungsleitungen, damit diese im Winter nicht einfrieren. Damit die Häuser auf dem Permafrostboden nicht einsinken, stehen sie auf Pfählen.

Nach einer Nacht verliessen wir Inuvik wieder und traten die 750 Kilometer Rückfahrt an. Die Tanks wurden geleert, Wasser und Diesel wieder aufgefüllt. Vorsorglicherweise fragte Angi die Campingplatz-Betreiberin, ob es denn noch irgendwie weiter nach Norden gehe. Sie lächelte und meinte: "Nein, Inuvik sei das Ende". Wir sollten in drei bis vier Jahren wieder kommen, bis dahin sei die neue Strasse weiter nördlich entstanden.

 

Die Rückfahrt ging dann um einiges besser als die Hinfahrt, die Strassen waren wieder trockener. Wir wechselten alle zwei Stunden mit Fahren ab - dies ist unser üblicher "Fahr-Rhytmus", welcher sich auf all unseren bisherigen Reisen in den letzten Jahren gut eingespielt und bewährt hatte. Nach ca. 380 Kilometern Fahrt fanden wir wieder einen geeigneten Übernachtungsplatz abseits der Strasse und gingen bald schlafen.

 

Den 1. August begannen wir wieder mit einer erfrischenden "Outdoor-Dusche" und einem feinen Morgenessen. Um 11.00 Uhr waren wir wieder "on the road". Auch an diesem Tag legten wir einige Kilometer zurück. Selbstverständlich nicht ohne ein paar Pausen und Zwischenhalte, zum Beispiel beim Besucherzentrum, wo wir eine interessante Ausstellung zum Dempster Highway besuchten. Abends feierten wir ein bisschen den Schweizer Nationalfeiertag. Die selbstgemachte Rösti schmeckte doppelt so gut wie in der Schweiz und der Rotwein sowieso. Die von Claudio's Arbeitskollegen zum Abschied geschenkten CH-Socken wurden natürlich auch getragen ;-)

Am 2. August nahmen wir schliesslich den letzten Abschnitt des staubigen Dempster Highways in Angriff. Alles ging bis zuletzt gut, keinen Platten, keine groben Schlaglöcher, keine grösseren Steinschläge in der Windschutzscheibe und zum Glück auch keine weitere Schleuderfahrt. Am Ende des Highways machten wir noch ein paar Erinnerungsfotos.
Um Truck und Camper von dem ganzen Dreck und Staub zu befreien, fuhren wir nach Dawson City zur Waschanlage. Dort trafen wir auf zwei weitere Schweizer, welche mit ihrem Truckcamper fast zeitgleich die Staubstrecke befahren hatten. Wir unterhielten uns sehr lange und tauschten ein paar "Langzeitreisenden-Geschichten" aus. Leider trafen wir sie in den folgenden Tagen nicht mehr an. Die "Drecksarbeit" rief schliesslich und so zog Claudio ein bereits getragenes T-Shirt und Badehosen an. Wie sich herausstellte, war das ein weiser Schritt. Die ganzen Staubschichten und die zentimeterdicken, eingetrockneten Dreckablagerungen wurden in einer fast halbstündigen Hochdruckreiniger-Session einigermassen gut entfernt. Das Dreckwasser spritzte in alle Richtungen und Claudio schwitzte.
Am Nachmittag auf dem Campingplatz folgte dann noch die restliche Aussenreinigung und auch Innen gabs wieder einiges zu tun. Überall, in fast jeder Ecke und Ritze, war Staub, Staub und nochmals Staub...
Nach 3,5 Stunden arbeiten waren wir zwei dann fix und fertig. Am Abend rafften wir uns dennoch auf und besuchten nochmals Dawson City.

Was war das für ein "Road-Trip"!!!

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Kommentare: 4
  • #1

    Pontresiner (Sonntag, 18 August 2013 12:54)

    .....auf so ein Lebensziel hin arbeiten wir noch dran ... und träumen vorläufig davon. Danke für die lässigen und interessanten Berichte. Liebe Grüsse und weiterhin alles Gute.

  • #2

    Gabi Wiegand (Sonntag, 18 August 2013 16:01)

    Hallo, Ihr Zwei, ich fragte mich gerade, ob Ihr wohl einen Staubsauger in eurer Luxus-Villa habt? Wieder danke für die Hausbesichtigung, diesen wundervollen Bericht und nicht zuletzt für das Fazit!! Ich lasse alles stehen und liegen, wenn Euer neuer Blog da ist und freue mich schon auf die 1. Ausgabe Eures Reiseführers. Good luck!! weiterhin und viele Grüsse - GABI

  • #3

    Christoph (Sonntag, 18 August 2013 22:48)

    Hab gerade meinen Lese-Rückstand in eurem Blog aufgeholt. War wieder schön von euch zu lesen!

  • #4

    Rita und Lothar (Freitag, 23 August 2013 01:58)

    Hallo ihr Zwei,
    schön, dass wir euch getroffen haben, zwar nicht in Dawson City aber nur ein paar Meilen weiter, in Chicken. Inzwischen sind wir wieder in Whitehorse und haben Putz- und Flicktage eingelegt. Leider konnten wir den Denali-Park nicht besichtigen, es wäre für Lothar zu anstrengend geworden (8 Stunden Schulbusfahren). Statt dessen haben wir eine wunderbare Tour durch die Kenai Fjords von Seward aus gemacht, sehr empfehlenswert.
    Für eure weitere Reise viel Freude, keine Pannen, Gesundheit und auch eine Portion Glück. Wir werden euch im Auge behalten!
    Liebe Grüße von den 3 Oldies