Lange haben wir uns davor gedrückt, die letzten Wochen unserer Reise in einem Blog festzuhalten. So komisch es klingen mag, es fällt uns echt schwer, diese Zeit in Worte zu fassen. Die letzten eineinhalb Monate in Kanada waren für uns gefühlsmässig eine Achterbahnfahrt und auch heute - ein Jahr danach - denken wir mit gemischten Gefühlen an diese Zeit zurück. Wir wollen die Erlebnisse nun aber niederschreiben und damit das "Abenteuer Auszeit" auch auf unserem Blog beenden.
Nach unserem Aufenthalt bei Marthe und Morris in Pointe Claire, gleich westlich vom Flughafen von Montréal, steuerten wir bereits die nächste Stadt an. Mit Ottawa nicht irgendeine Stadt, sondern die Hauptstadt von Kanada. Klar konnten wir die nicht auslassen, zumal sie sowieso einigermassen auf unserer Strecke lag. Nachdem wir in Ottawa einen Campingplatz angeschaut und uns dagegen entschieden hatten, landeten wir für die Übernachtung in Gatineau, einmal mehr auf einem Kasino-Parkplatz. Gatineau ist die Zwillingsstadt von Ottawa. Die beiden Städte werden vom Fluss Ottawa getrennt. Dieser bildet auch gleich die Grenze zwischen den beiden Provinzen Québec und Ontario. Für unsere Stadtbesichtigung konnten wir unser Gefährt somit im übersichtlicheren Gatineau parkieren und zu Fuss über die Brücke nach Ottawa spazieren. Wir schauten uns die Schleusen am Rideau-Kanal sowie die Parlamentsgebäude an. Vom Peace Tower aus hatten wir einen super Ausblick und dank der Tour durch das Hauptgebäude erhielten wir einen kleinen Einblick in die Zimmer und Säle des Parlaments. Nach einem Spaziergang durch den Stadtteil "Byward Market" genossen wir unser Picknick und die schöne Sonnenuntergangsstimmung im Major's Hill Park mit tollem Blick auf den Fluss und die beiden Städte.
Am zweiten Tag in Ottawa besuchten wir die Royal Canadian Mint, die Münzprägeanstalt Kanadas. Durch die interessante Führung erfuhren wir einiges über die Herstellung von Münzen und bekamen auch ein paar Sonderanfertigungen zu Gesicht. Unter anderem wurden die Medaillen für die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver hier hergestellt und wir erfuhren, dass jede Medaille ein eigenes Muster hat, alle zusammen (richtig zusammengesetzt) ein Bild ergeben. Dies faszinierte und beeindruckte Angi :-) Beim Bezahlen des Mittagessens schauten wir dann die Münzen mit anderen Augen an. Nachmittags schlenderten wir durch die Strassen von Ottawa und kamen zum Schluss, dass man diese Stadt schnell gesehen hat, sie aber für uns definitiv sehenswert war. Zum Übernachten quartierten wir uns wieder auf dem Parkplatz des Kasinos ein. Bei Gratis-Getränken und Live-Übertragung eines Eishockeyspiels auf Grossleinwand im Kasino wussten wir uns an diesem Abend zu beschäftigen ;-)
Vor unserer Weiterfahrt machten wir noch einen Abstecher in den Gatineau-Park. Da dieser Naturpark fast vollständig bewaldet ist, erhofften wir uns, dort dem Indian Summer zu begegnen. Tatsächlich hatte die Blattverfärbung an den Bäumen bereits eingesetzt und wir bekamen einen kleinen Eindruck. Bei schönstem Wetter machten wir einen Spaziergang um den Pink Lake, das Wasser war allerdings nicht pink, sondern leuchtend grün-blau.
Der Park war ein schöner Abschluss in Québec. Wir fuhren noch einmal quer durch Ottawa und weiter in südliche Richtung. Nun war es Zeit, uns definitiv bei Donna und Fred anzumelden. Die beiden Kanadier hatten wir auf der Baja California kennengelernt und rund ein Jahr später in Texas wieder getroffen. Sie hatten uns mehrmals eingeladen, sie bei sich zu Hause zu besuchen und genau das hatten wir nun vor. Sie wussten, dass wir vorbeikommen würden und so kündigten wir uns zwei Tage vorher an. Auf dem Weg dahin wollten wir uns noch den Rideau-Kanal anschauen. Er verbindet Ottawa mit der Stadt Kingston am riesigen Ontariosee. Der Kanal ist 202 Kilometer lang und die älteste ununterbrochen benutzte künstliche Wasserstrasse in Nordamerika. Davon wollten wir uns persönlich überzeugen und schauten uns nach den Schleusen in Ottawa auch diejenigen in Merrickville und Smiths Falls an. Dort erzählte uns ein freundlicher Angestellter so ziemlich alles über den Kanal, angefangen vom Bau, über seine Geschichte und den heutigen Betrieb. So erfuhren wir unter anderem, dass Malaria beim Bau des Kanals auch hier seine Todesopfer forderte. Vom Panamakanal hatten wir dies gewusst, hätten aber nicht gerechnet, dass dies auch hier in Kanada ein Problem war. Wir folgten weiter dem Rideau-Kanal und stoppten auch bei den Schleusen in Kingston Mills. Die Besichtigung der Schleusen bot immer wieder Gelegenheit, sich ein bisschen die Füsse zu vertreten.
Nach einer erstaunlich ruhigen Nacht auf dem Walmart-Parkplatz in Cobourg, direkt am Highway gelegen, bereiteten wir alles für den Besuch bei Donna und Fred vor. Einkaufen, Wäsche waschen, Abwasser entsorgen, Wasser tanken und abends erreichten wir dann die Georgian Bay am Huronsee. Donna und Fred hatten uns eine Wegbeschreibung zu ihrem Cabin (kleines Haus) am See abgegeben, waren sich aber wohl nicht sicher, ob wir es finden würden. Zur Sicherheit hatten sie auf dem letzten Stück überall die farbigen Mardi Gras Beads in die Büsche gehängt. So folgten wir den Ketten und sammelten diese wieder ein :-) Tatsächlich führten uns die farbigen Perlen zu Donna und Fred, sie hatten bereits am Lagerfeuer auf uns gewartet und die Wiedersehensfreude war riesig. Wir hatten einander viel zu erzählen und verbrachten einen gemütlichen Abend im warmen Cabin. Die beiden sind extreme Frühaufsteher und so war Fred am nächsten Morgen bereits damit beschäftigt, sein Segelboot an Land zu holen. Allgemein galt es jetzt, das Cabin und die Umgebung winterfest zu machen. Im Sommer verbringen Donna und Fred soviel Zeit wie möglich am See, was durchaus verständlich ist. Das kleine Häuschen reicht vollkommen aus und die Lage direkt am See ist einfach toll. Abends gesellten sich Nachbarn und Freunde zu uns ans Lagerfeuer und es wurde über alles mögliche diskutiert. Die Gastgeber, Donna und Fred, verabschiedeten sich plötzlich ins Bett (sie stehen früh auf, gehen aber auch früh zu Bett), doch alle anderen quatschten munter weiter :-) Die kanadische Gastfreundschaft ist so herrlich unkompliziert!
Obwohl am nächsten Morgen auch wir früher auf den Beinen waren, waren Donna und Fred schon fast abreisebereit. Etwas später verliessen auch wir das Cabin und erreichten nach kurzer Fahrt ihr Zuhause in Chatsworth. Das Wohnhaus war früher ein Schulhaus und direkt nebenan befindet sich Fred's Werkstatt. Als selbständiger Schreiner stellt er alles mögliche aus Holz her (Küchen, Türen, Möbel, etc.) und liebt seinen Beruf sichtlich. Wir durften uns einen Platz auf dem Grundstück aussuchen und richteten uns ein.
Nun war die Zeit definitiv gekommen und wir begannen, unser Auto und den Camper für den Verkauf vorzubereiten. Schon seit längerer Zeit waren wir mit einem Interessenten aus Deutschland in Kontakt und wollten vor einem Besichtigungstermin noch einige Dinge erledigen. Unter anderem entfernten wir sämtliche Dichtungen rund um die Türe, sämtliche Fenster und Stauraumfächer am Camper und dichteten alles neu ab. Eine Riesenarbeit, welche uns mehrere Tage beschäftigte. Umso schöner war es, zwischendurch wieder Zeit mit Donna und Fred zu verbringen und viele gute Gespräche führen zu können. So fuhren wir beispielsweise gemeinsam zum Keady Farmer's Market mit Kleintierauktion, lernten die Nachbarn kennen (Mennoniten mit ihrer Kutsche auf dem Weg zur Entenjagd) und trafen Donna und Fred fast jeden Abend zur "Cocktail Hour" :-) Nach dem Abendessen schauten wir uns meist gemeinsam ein Musikvideo oder einen Film an. Zur Abwechslung ging Angi mal mit Donna zum Einkaufen nach Durham, die Männer rüsteten Freds Auto auf Winterreifen um und versuchten den Alternator auszutauschen. Solche Ablenkungen waren willkommen, das Abkratzen der alten Dichtungen war nämlich ein Sch....-Job.
Immer am zweiten Montag im Oktober wird in Kanada "Thanksgiving" (Erntedankfest) gefeiert und meist kommt dann die ganze Familie zusammen. Donna und Fred feierten ausnahmsweise eine Woche später, da ihre ältere Tochter dann aus den Ferien zurück war. So kam es, dass wir tatsächlich einmal ein richtiges Thanksgiving-Dinner miterleben durften. Die Familie und eine gute Freundin trudelten am Nachmittag ein, jeder brachte etwas mit und schliesslich sassen 14 Personen am Tisch und schlugen sich die Bäuche voll. Klar gab es einen gefüllten Truthahn und viele andere leckere Sachen. Es war toll, die zwei Töchter von Donna und Fred mit ihren Männern kennen zu lernen und auch der Rest der Truppe war total sympathisch. Angi fand mit Donna's Bruder einen echten Eishockey-Fan, sogar der Spengler-Cup war ihm ein Begriff :-)
Nach dem verspäteten Thanksgiving-Wochenende war dann aber wieder arbeiten angesagt. Unter anderem machten wir die Stützen am Camper wieder gängig, denn unser Truck hatte einen Termin in der Werkstatt. Vor dem Verkauf wollten wir das Auto einem Sicherheitscheck unterziehen (bei uns wäre das wohl die Motorfahrzeugkontrolle) und dafür mussten wir den Camper abladen. Der Mechaniker bestätigte uns aber, dass unser Truck in einem sehr guten Zustand sei und wir nur wenige Teile ersetzen müssten, um das Zertifikat zu erhalten. Das hörten wir natürlich gerne, vereinbarten gleich wieder einen Termin und hielten bereis einen Tag später das Zertifikat in der Hand. Klar nutzten wir die Gelegenheit auch gleich, den Truck und den Camper gründlich zu waschen, bevor wir unser "Häuschen" wieder aufluden. Zur Feier des Tages luden wir Donna und Fred zu einem echten Schweizer Käsefondue im Camper ein. Während Claudio und Fred im nahe gelegenen Wald noch einen Weg vom Gebüsch befreiten, widmeten sich Donna und Angi bereits dem Apéro und bereiteten die Zutaten zum Fondue vor. Fred brachte mit seinem Mini-Traktor noch eine Feuerstelle, Holz und Stühle und so sassen wir nach der Schlemmerei noch gemütlich draussen um unser Lagerfeuer und verbrachten einen echt schönen schweizerisch-kanadischen Abend. Im Gegensatz dazu könnte man den nächsten Abend eher als amerikanisch-kanadisch bezeichnen, denn Donna und Fred nahmen uns mit zu einer vorgezogenen Halloween-Party in der Frontier Ghost Town. Die Besucher hatten alle möglichen Verkleidungen an, es erinnerte uns an die Fasnacht. Donna spielte ihre Rolle als Pirat gut und Fred war der geborene Weihnachtsmann, wir beide waren als Schweizer verkleidet ;-)
Donna und Fred fuhren über das Wochenende noch einmal zum Cabin am See und auch wir hatten eine Pause von den Arbeiten an Auto und Camper nötig. Die Wetteraussichten sahen vielversprechend aus und so beschlossen wir, zu den Niagarafällen zu fahren. Diese lagen nämlich nur drei Stunden Fahrzeit entfernt und so waren wir bald da. Eigentlich wollten wir uns einen Campingplatz gönnen, doch wenn bei einem Preis von über 50 Dollar pro Nacht das WiFi nicht einmal zum Skypen ausreicht, ziehen wir einen kostenlosen Parkplatz in der Nähe der Fälle definitiv vor. Wir parkierten direkt neben dem Niagara Falls IMAX Theatre und konnten bequem zu Fuss zu den Fällen spazieren. Obwohl wir beide die Niagarafälle schon einmal gesehen hatten, war es auch dieses Mal einfach eindrücklich. Das Wasser fällt bei den Horseshoe Falls "nur" 57 Meter in die Tiefe, aber durch die Breite von 670 Metern sieht das ganze schon spektakulär aus.
Klar liessen wir es uns nicht entgehen, mit dem Boot in die Gischt zu fahren und buchten eine Tour mit dem "Hornblower". Gut gewappnet mit den sexy roten Regenpelerinen genossen wir die Fahrt in die Nähe der tobenden Wasserfälle und Angi bereute es, schon länger keine wasserdichten Schuhe mehr zu haben :-) Die Fahrt mit dem Boot hat uns gefallen und zeigt einem die Fälle aus einer anderen Perspektive. Die Wucht des Wassers wird einem da unten so richtig bewusst. Anschliessend war ausgiebiges Trocknen auf der Sonnenterrasse angesagt. Nach einem Abstecher ins Kasino besuchten wir abends die beleuchteten Fälle und schlenderten die "Vergnügungsmeile" hoch und runter. Die Niagarafälle sind mit fast 20 Millionen Besuchern pro Jahr eine der beliebtesten Touristendestinationen Nordamerikas. Wir waren Ende Oktober da und es hatte (für unsere Verhältnisse) viele Leute. Wir möchten nicht wissen, wie es da im Sommer zu und her geht... Es war aber auf jeden Fall der perfekte Ort, um die Gedanken rund um den Verkauf unseres geliebten Truck-Campers einen Moment zu vergessen.
Den nächsten Morgen starteten wir mit dem Film im IMAX und erfuhren mehr über die Geschichte und Mythen rund um die Fälle. Auch das kleine Museum liessen wir nicht aus schauten uns vor allem die verschiedensten Fässer, Tonnen und Kajaks an, mit welchen die Fälle mehr oder weniger erfolgreich "bezwungen" wurden. Die erste Person, welche sich in einem Fass über die Fälle stürzen liess, war tatsächlich eine Frau im Jahr 1901. Sie nahm sogar ihre Katze mit, welche wohl eher unfreiwillig zusammen mit ihrer Besitzerin die Fälle hinunterstürzte. Beide überlebten diese Aktion. Solche und noch viele andere kuriose und halsbrecherische Geschichten konnten wir im Museum entdecken. Was Menschen für ein bisschen Geld und Ruhm alles tun...
Mit diesen Eindrücken fuhren wir noch ein Stück dem Niagara River entlang bis zu den Whirlpools, wo sich das wilde Wasser noch einmal sammelt und beruhigt, bevor es dann in den Ontariosee fliesst. Da sich nun langsam ein Treffen mit dem Interessenten für unseren Truck-Camper abzeichnete, holten wir unterwegs schon einmal Informationen rund um die Versicherung und die Fahrzeugzulassung ein. Dies ist in Kanada von Provinz zu Provinz unterschiedlich und sollte im Vorfeld gut abgeklärt sein. Lustig, dass wir bei einer zufällig ausgewählten Versicherung direkt auf einen ausgewanderten Schweizer trafen. Am darauffolgenden Tag kamen wir nach ein paar Erledigungen genau rechtzeitig zum "Sundowner" wieder bei Donna und Fred an und hatten einander wieder einiges zu erzählen.
Inzwischen war es kalt geworden und mit dem stürmischen Wind richtig unangenehm. So machte es definitiv keinen Spass mehr, am Camper zu arbeiten. Und trotzdem hatten wir immer noch ein paar Dinge auf unserer Liste, welche wir vor einem Besichtigungstermin noch erledigen wollten. Während Angi viel als Handlangerin zur Stelle war oder sich um Administratives kümmerte, nahm sich Claudio dem Handwerklichen an. Umso schöner waren für uns jeweils die gemütlichen Stunden und die leckeren Abendessen, welche wir zusammen mit Donna und Fred verbringen durften. Dabei wechselten wir uns natürlich ab mit einkaufen und kochen und so fand nebenbei noch ein Austausch von Koch-Erfahrungen und Rezepten statt :-)
Dass Donna und Fred wirklich absolute Musikfans sind, war uns inzwischen längst bewusst. Davon überzeugen konnten wir uns anlässlich ihres "Music Jam". Die beiden laden seit Jahren regelmässig Freunde und Bekannte zu sich nach Hause ein, um gemeinsam zu musizieren. Dabei wird nicht nach Programm oder Noten gespielt... jemand stimmt ein Lied an und die anderen steigen nach und nach ein - und es funktioniert! Danach sitzen alle zum "Potluck Dinner" zusammen. Jede/r hat etwas zu essen mitgebracht, stellt es mitten auf den Tisch und jede/r bedient sich, bis alles weg ist :-) Für uns waren dies wirklich tolle Erlebnisse und wir lernten die kanadische Kultur immer besser kennen.Wir haben diese kanadische Lockerheit und Unkompliziertheit echt lieben gelernt!
Ganz nach dem Motto "man soll immer dann gehen, wenn es am schönsten ist" starteten wir in den nächsten Tag. Nun war es an der Zeit, sich von Donna und Fred zu verabschieden. Schon dieser Abschied allein fiel uns alles andere als leicht, wir haben die beiden wirklich in unser Herz geschlossen. Hinzu gesellte sich jetzt aber auch das Gefühl, dass das Ende unserer Auszeit immer näher kam. Die Verabschiedung war sehr emotional und alle verdrückten ein paar Tränchen, nur Donna blieb stark.
To our friends Donna and Fred:
It's been a year now since we had to say goodbye. But we still think of you almost every day and we remember our great time with you. We really hope to see you again one day. We miss you a lot!
Traurig und mit gedrückter Stimmung verliessen wir Chatsworth und fuhren nach Guelph, ca. 100 Kilometer westlich von Toronto. Zum Glück hatten wir unterwegs noch einiges zu erledigen, dies brachte uns wieder auf andere Gedanken. So liessen wir zum Beispiel an unserem Truck den Abgastest durchführen und konnten spätestens da wieder lachen. Unser Modell wurde nämlich noch nach alter Methode geprüft, das heisst, ohne jegliche Messgeräte. Ein Mechaniker fuhr unseren Truck in die Werkstatt, stellte den Timer auf fünf Minuten und gesellte sich dann mit der Kaffeetasse in der Hand zum zweiten Mechaniker ans Heck unseres Trucks. Die beiden schauten auf den Auspuff und nach Ablauf der fünf Minuten fragte der eine den anderen: "Und?" Der andere: "Sauber." Das war der Abgastest. Wir liessen uns dann aufklären und erfuhren, dass das Auto "clean" ist, wenn in den fünf Minuten kein schwarzer Rauch aus dem Auspuff strömt. Gröööööl :-) :-) :-) Wir schauten uns an und konnten uns nicht mehr halten vor Lachen. All unsere Gedanken, wie dieser Test wohl funktionieren und ausgehen würde, waren für die Katz gewesen!
Später reinigten wir unser Gefährt und somit war unser "Kleiner" fit für die Besichtigung. Der Interessent aus Deutschland sollte nämlich am nächsten Tag eintreffen. Angi hatte an diesem Abend ihr erstes richtiges Tief als ihr bewusst wurde, dass nun alles ganz schnell gehen kann. Die Vorstellung, unseren geliebten Truck-Camper abzugeben, war schrecklich und doch unausweichlich.
Am nächsten Nachmittag warteten wir wie vereinbart auf dem Walmart-Parkplatz auf den Interessenten. Thomas hatte über unsere Reisebekanntschaft Willi erfahren, dass wir unseren Truck-Camper verkaufen und flog von Deutschland nach Kanada, um sich unser Gefährt anzuschauen. Direkt vom Flughafen kommend traf er bei uns ein und wir zeigten ihm Truck und Camper. Klar gehörte auch eine Probefahrt dazu. Der erste Eindruck schien durchaus positiv zu sein. Thomas wollte noch eine Nacht darüber schlafen und sich am nächsten Tag um seinen Führerausweis kümmern. So verabschiedeten wir uns mit einem guten Gefühl.
Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Einen Tag später informierte uns Thomas, dass er mit dem Führerschein noch nicht weiter gekommen sei, da ihn der Dolmetscher versetzt habe. Insgesamt zogen drei Tage vorbei, an welchen wir zwar immer in Kontakt waren, allerdings auch nicht weiter kamen. Dies bedeutete für uns, dass wir mehr oder weniger vor Ort bleiben und erreichbar sein mussten, uns aber trotzdem irgendwie beschäftigen mussten. So gingen wir unter anderem spazieren (bei schönstem Wetter und 19 Grad anfangs November in Kanada) und erkundeten Guelph.
Nach drei Tagen war Thomas zwar nun im Besitz eines kanadischen Führerscheins, eine Versicherung fehlte aber nach wie vor. Das Wochenende stand nun bevor und wir zögerten nicht lange, als wir am Samstagmorgen die E-Mail von Petra und Stephan entdeckten. Die beiden hatten wir auf Neufundland kennengelernt und uns auf Anhieb super verstanden. Nun waren sie ganz in der Nähe und zwei Stunden später trafen wir uns am St. Jacobs Farmers' Market in Woolwich. Wir freuten uns riesig, Petra und Stephan zu treffen und zusammen durch den Markt und später durch das kleine Dorf St. Jacobs zu schlendern. Wir genossen es sehr, stundenlang mit den beiden zu quatschen, bereiteten ein gemeinsames Abendessen im Camper zu und unterhielten uns bis spät in die Nacht :-) Leider trennten sich unsere Wege am nächsten Tag wieder, doch das Wiedersehen hatte richtig gut getan und freute uns sehr.
In Bezug auf den Verkauf des Truck-Campers hatte sich nichts Neues ergeben und wir beschlossen, uns jetzt auf einem Campingplatz einzuquartieren. Die letzten Nächte auf dem Walmart-Parkplatz waren zwar gut und günstig gewesen, wir wollten uns nun aber ein bisschen Komfort in Form von Strom und WiFi gönnen. Da die Hauptsaison längst vorbei war, handelte Angi den Preis kurzerhand runter, bis er für uns passte. Nun konnten wir fleissig skypen, bloggen, Fotos sortieren, usw. und es verstrichen wieder zwei Tage ohne Neuigkeiten.
Seit der Ankunft von Thomas und der Besichtigung war nun eine Woche vergangen, ohne dass wir eine konkrete Zu- oder Absage erhalten hatten. Wir wollten der Ungewissheit nun ein Ende setzen und informierten Thomas darüber. Noch am gleichen Abend kam ein Treffen zustande und wir konnten uns schliesslich einigen.
Nun ging plötzlich alles ganz schnell. Das musste es auch, denn es blieben uns knappe drei Tage, bis Thomas zurück nach Deutschland fliegen würde. So buchten wir gleich am nächsten Morgen ein Hotelzimmer für zwei Nächte in Guelph. Zum Glück waren wir darauf vorbereitet und hatten uns das Hotel schon vorher angeschaut. Es ging ja darum, den Camper komplett leer zu räumen und da war es von Vorteil, möglichst nahe ans Zimmer fahren zu können. Da wir das Zimmer jedoch erst um 14.00 Uhr beziehen konnten, begannen wir, unser ganzes Hab und Gut in die grossen Reisetaschen zu verstauen. Am Nachmittag bezogen wir dann unser Zimmer und räumten den Camper komplett aus. Es war erstaunlich und erschreckend, wie viel Ware in dem vergleichsmässig kleinen Camper Platz hatte! Wir hatten jetzt auch gar keine Zeit mehr, unsere Sachen zu sortieren und auszumisten. Wir packten einfach alles in die Taschen, denn die Priorität lag nun beim Räumen des Campers. Abends kam Thomas kurz vorbei, er konnte inzwischen eine Fahrzeugversicherung abschliessen. Bis spät in die Nacht waren wir damit beschäftigt, den Camper für die Übergabe vorzubereiten.
Am folgenden Tag durfte Claudio ein letztes Mal dumpen (Abwasser ablassen). Wir spülten die Tänke ausgiebig durch und fragten uns, wie oft Claudio sich auf unserer Reise wohl dieser "Drecksarbeit" angenommen hatte. Zurück beim Hotel reinigten wir den Innenraum des Campers. In der ganzen Hektik hatten wir bisher gar keine Zeit mehr für Gefühle gehabt. Doch nun stand uns ein ganz schlimmer Moment bevor, den Angi eigentlich hätte vermeiden wollen. Claudio bestand aber darauf, unsere "Suiza"-Aufkleber vom Camper zu entfernen. Das war ein sehr emotionaler Moment für uns und wir vergossen beide viele Tränen dabei. Später fuhren wir zusammen mit Thomas zur Zulassungsstelle und schrieben das Auto auf seinen Namen um. Innerhalb von wenigen Minuten war das erledigt und der Truck hatte nun einen neuen Besitzer. Zur Feier des Tages gingen wir abends gemeinsam essen. Zurück im Hotel bereiteten wir alles für die definitive Übergabe am nächsten Tag vor und buchten unsere Flüge zurück in die Schweiz.
Am Samstag, 14. November 2015 mussten wir uns also von unserem geliebten Truck-Camper, unserem Zuhause während den letzten zweieinhalb Jahren, trennen. Da Thomas erst etwa acht Monate später mit seiner Reise starten würde, halfen wir ihm dabei, den Truck-Camper winterfest zu machen und fuhren ihn in die Einstellhalle. Der Abschied von unserem treuen Reisebegleiter fiel uns extrem schwer und einmal mehr konnte Angi ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Ein kleiner Trost war der Gedanke, dass unser "Kleiner" im nächsten Jahr wieder auf Reise gehen würde.
Eine Hand wäscht die andere und so hatte Thomas angeboten, uns und unser ganzes Gepäck mit seinem Mietauto in ein Hotel in Toronto zu fahren. Er musste so oder so zurück nach Toronto, denn sein Flug ging noch am gleichen Abend. Das Angebot nahmen wir natürlich gerne an. Wir wollten unsere letzte Woche in Toronto verbringen und hatten bereits ein Hotel in der Nähe des Flughafens gebucht. Nach dem Abladen der ganzen Koffern, Taschen, Rucksäche, usw. im Hotelzimmer gingen wir noch einmal gemeinsam Essen, bevor Thomas zum Flughafen fuhr. Abends im Hotelzimmer mussten wir nun zuerst einmal herunterfahren, wir waren beide fix und fertig nach den letzten Tagen. Die Entscheidung, noch eine ganze Woche vor Ort zu bleiben, erwies sich als goldrichtig. So hatten wir genug Zeit, uns zu sammeln, zu begreifen, zu verarbeiten, innerlich abzuschliessen und auf die Rückkehr in die Schweiz einzustellen.
Klar wollten wir uns in dieser Woche auch Toronto anschauen, aber zuerst legten wir definitiv einen Ruhetag ein und waren froh, die ganze Camper-Verkaufsgeschichte nun hinter uns zu haben. Einen Tag später nutzten wir das schöne Wetter und fuhren mit Bus und Metro in die Innenstadt. Spontan beschlossen wir, gleich als erstes den CN Tower zu besichtigen. Der 553 Meter hohe Fernsehturm ist das Wahrzeichen von Toronto. Auf 351 Metern Höhe befindet sich ein Drehrestaurant, in welchem wir uns ein Mittagessen gönnten. Das war eine super Entscheidung, denn die Aussicht war einfach grandios und das Essen der Hammer. Im Vorfeld hatten wir unsere Bedenken, da man an solchen Orten nicht immer gut isst. Wir wurden aber positiv überrascht und genossen das feine Essen und die Aussicht sehr. In 72 Minuten dreht sich das Restaurant einmal um die eigene Achse und wir hatten somit genügend Zeit, die letzten Tage Revue passieren zu lassen. Über eine Treppe gelangten wir anschliessend zur Aussichtsplattform einen Stock tiefer. Natürlich näherten wir uns auch dem verglasten Boden. Claudio schritt einfach drauflos und hatte bald nur noch den Glasboden unter den Füssen. Angi war da ein bisschen vorsichtiger... hält der Boden wirklich? :-) Es war schon ein mulmiges Gefühl, nur auf Glas zu stehen und über 300 Meter weiter unten die Strassen und Gebäude zu sehen. Bald darauf waren wir selber wieder da unten und schlenderten noch die Yonge Street hinauf, die wohl lebhafteste Strasse in Toronto.
Am nächsten Morgen beschäftigten wir uns mit dem Gepäck und veranstalteten ein Probepacken. Fazit: Da muss noch einiges weg. Nach dem Mittag machten wir uns wieder auf dem Weg in die Stadt und gelangten mit der Fähre nach Ward's Island. Von dort aus hat man einen tollen Blick auf die Skyline von Toronto. Wir genossen die schöne Abendstimmung, fuhren mit der Fähre zurück und waren bald darauf im Air Canada Centre. Dies ist unter anderem die Heimspielarena der Toronto Maple Leafs, der NHL-Eishockeymannschaft. Im Vorfeld hatten wir uns Tickets besorgt und verfolgten nun also das Spiel gegen die Colorado Avalanche. Klar drückten wir den Toronto Maple Leafs die Daumen, auf der anderen Seite war aber mit Reto Berra ein Schweizer Torhüter auf dem Eis und wir hofften natürlich auch für ihn auf ein gutes Abschneiden. Am Ende gewannen die Toronto Maple Leafs klar mit 5:1 und wir freuten uns über das Spektakel. Es ist immer wieder eindrücklich, ein NHL-Spiel live zu verfolgen.
Nach einem weiteren ruhigen Tag im Hotel machten wir uns ein letztes Mal auf in die Stadt. Den Tag verbrachten wir hauptsächlich damit, noch ein paar Souvenirs einzukaufen und ein bisschen in der Stadt herumzuschlendern. Vor allem Claudio nutzte die Gelegenheit, sich noch mit ein paar T-Shirts einzudecken. Unseren letzten Tag verbrachten wir dann mit Packen. Unterdessen hatten wir uns zwei zusätzliche Taschen gekauft und mussten nun unser ganzes Hab und Gut auf insgesamt einen Koffer, fünf Taschen, zwei Rucksäcke und zwei Laptop-Taschen verteilen. Einpacken, umpacken, wägen, auspacken, wieder wägen, wieder einpacken, wägen, wieder umpacken... Tetris für Fortgeschrittene... Stunden später hatten wir unsere Sachen so eingepackt, dass jede Tasche gewichtsmässig bis ans Limit gefüllt war.
Am Samstag, 21. November 2015 war also der Tag der Abreise gekommen und wir wurden mit dem Hotel-Shuttle-Bus zum Flughafen gebracht. Zum Glück hatten wir einen ganzen Bus für uns alleine mit dem ganzen Gepäck! Beim Einchecken folgte dann die grosse Überraschung... unsere zwei grössten Taschen waren zu schwer! Offensichtlich war unsere Gepäckwaage mit so schweren Taschen überfordert und lieferte fehlerhafte Angaben. Oh nein! Das hiess, noch einmal umpacken. Ein bisschen abseits veranstalteten wir ein riesiges Chaos und packten sämtliche Taschen und Rucksäcke noch einmal um. Schwere Sachen verstauten wir kurzerhand in unseren Jacken und konnten diese kaum noch anziehen :-) Gerade noch rechtzeitig schafften wir es, alles noch einmal kontrollieren zu lassen und aufzugeben. Am Schluss hatten wir neun Gepäcknummern für sechs Gepäckstücke - wenn das nur gut kommt! ;-) Vom ganzen Gepäckschleppen und der Umpackerei waren wir einmal mehr fix und fertig und waren froh, schliesslich im Flugzeug zu sitzen. Allerdings mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Bald würden wir unsere Familie und Freunde wiedersehen, aber von unserer Auszeit mussten wir uns nun verabschieden.
Am Sonntag, 22. November 2015, pünktlich um 09.30 Uhr landeten wir in Zürich. Wir wussten, dass uns unsere Mütter am Flughafen abholen würden. Doch als wir uns der Gepäckausgabe näherten, sahen wir hinter der Glasscheibe eine ganze Gruppe stehen. Wir trauten unseren Augen kaum, fast die ganze Familie und Freunde waren gekommen, um uns zu begrüssen und abzuholen. Wir freuten uns riesig, schnappten unser Gepäck (tatsächlich vollständig) und spurteten durch die Zollkontrolle. Die Zollbeamten waren zum Glück gerade beschäftigt und als sie realisierten, wie viel Gepäck wir da auf unseren Gepäckwagen hatten, waren wir schon draussen. Wobei die eine Zollbeamtin Claudio beinahe noch erwischt hätte... Doch wir stürzten uns sofort in die Arme unserer Familie und Freunde, das Wiedersehen nach so langer Zeit war einfach schön! Den Sonntag verbrachten wir gemütlich zu Hause, zu erzählen hatten wir mehr als genug und wir genossen noch am gleichen Abend unser erstes Fondue :-)
Mit diesem Bericht über unsere letzten Wochen in Kanada ist der Reiseteil unserer Auszeit nun auch auf dem Blog abgeschlossen. Inzwischen ist ein Jahr vergangen und wir hatten genügend Zeit, unsere Eindrücke und Erlebnisse zu verarbeiten. In nächster Zeit werden wir zurückblicken und auch vom Wiedereinstieg berichten.
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Gabi W. (Dienstag, 22 November 2016 10:42)
ja, endlich!! Welcome back!!!
Swchen (Donnerstag, 24 November 2016 21:28)
Eindrücklich und bewegend Eure Schilderungen....ICH finde es aber schon schöner, Euch jetzt doch öfters zu sehen.
Was hättet Ihr alles verpasst, wenn ihr Euch diese Auszeit nicht genommen hättet.....unendlich viel!!
Super, dass Ihr das Abenteuer gewagt und erst noch suverän gemeistert habt. Bravo und weiterhin alles gute.
Swchen Marianne
MamiPia (Donnerstag, 08 Dezember 2016 10:34)
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge habe ich euren letzten Reise-Blog gelesen.
Das lachende Auge freut sich, euch wieder in der Nähe zu wissen - das Weinende wird die interessanten Schilderungen von eurer Reise vermissen.
Der Start ins "neue Leben" ist geglückt........ super, das habt ihr gut gemacht.
Liebe Grüsse
MamiPia
Cécile (Dienstag, 13 Dezember 2016 11:10)
Hallo zäme, was für ein toller Abschlussbericht - warum auch immer ich heute auf eure Seite gelangt bin, es war toll, von eurem Abschluss der Reise zu lesen. Ich hoffe es geht euch beiden gut und ihr habt das "normale" Leben wieder voll im Griff. Habe doch ab und zu wieder an euch gedacht....
Ich wünsche euch eine tolle Advents- und Weihnachtszeit mit vielen schönen, leuchtenden und harmonischen Momenten und en super Rotsch is nöie Johr. Liebe Grüsse, Cécile Banz